Mittwoch, 20. Februar 2013

Wenn...

...du stundenlang auf eine Bergkette zufährst, weil da dort das Dorf, dein Ziel ist, und die Berge einfach nicht näher kommen wollen...
Wenn um dich herum überdimensionale Poster mit wunderschönen Bildern zu hängen scheinen...
Wenn Größenverhältnisse sich relativieren und du keinen Anhaltspunkt für einen Maßstab hast...
Wenn es in Nase und Gaumen klebt, weil die Luft so trocken ist...
Wenn surreal sich mit real vermischt...
Wenn es unfassbar still ist... kein Ton...
Wenn die Welt auf einmal ein bisschen beängstigend ist und dich überwältigt...
Wenn die Natur ein solch schönes Spektakel bietet, dass du Tränen in den Augen hast...
Ja, dann bist du da!
In der Wüste.
Wenn du 3-4 Liter pro Tag trinkst, nur um deinen Gaumen zu befeuchten...
Wenn du nur 2 Minuten pro Tag duschen darfst, weil es kein Wasser gibt....
Wenn es 35°C sind und du trotzdem kaum schwitzt....
Wenn, wie immer in Chile, schneebedeckte Vulkane in den Himmel ragen...
Wenn du auf einmal auf Salz spazieren gehst...
Wenn du Tiere kennenlernst, von denen du vorher nichts geahnt hast...
Wenn du tags über 35°C und nachts um 0°C hast...
Wenn sich Körper und Kleidung irgendwie weiß färbt, weil es so unfassbar staubig ist...
Wenn die Bettdecke beim Umdrehen im Bett blinkt und blitzt....
Wenn Haare platt und elektrostatisch wie nie sind...
Ja, dann bist du in der trockensten Wüste der Welt!!!
Die Atacama Wüste.
Die Flamingos in der Laguna de Chaxa
 Passen die Worte Wüste und Paradies zusammen?
Ja, die Wüste verursacht Gänsehaut und Faszination. Schon allein der Flug von Santiago, in Mittelchile, bis in den Norden ist einen Flug wert. Unter dem Flugzeug zeigen sich absurde Landschaften und Farbspiele der trockenen Natur.
Die Wüste und 1 Vulkan aus dem Flugzeug
Das Flugzeug landet in Calama, einer etwas trostlosen Stadt, die meistens nur von Mienenarbeitern oder halt Wüstentouristen angeflogen wird. So sieht man auch auf den Straßen kaum eine Frau. Meinen Rucksack hatte erneut die Reiselust verlassen und ist mal wieder nicht mit meinem Flieger geflogen.... somit konnte ich mich erst mit einiger Verspätung auf meinen weiteren Weg machen, denn das Personal der LAN (ja, ich nenne sie jetzt mit Namen!) hatte sich erst 1,5 Stunden nach Landung überhaupt am einzigen Schalter des Miniflughafens blicken lassen.


Das Hostal Sonchek
Das Touristendörfchen San Pedro de Atacama liegt rund 100 km entfernt, auf ca. 2.400 m Höhe und war das Ziel. Nun waren natürlich schon alle Busse weg... somit habe ich mich mit dem freundlichen Taxifahrer Darwin auf in die Stadt gemacht, um doch noch eine Busverbindung zu finden. Wir sind 6 "Bushaltestellen" abgefahren, der früheste fuhr 2 Stunden später. Gut, warten bin ich ja gewohnt, Gepäck hab ich eh nicht...ohne Ausrüstung keine Wüstentour, also kein Zeitdruck. Darwin verabschiedet sich mit den Worten: "Und bitte verlasse nicht die Bushaltestelle, hier laufen ganz zwielichtige Gestalten rum!" Das deckt sich dann auch mit der Meinung aus meinem Reiseführer, wo diese Stadt liebevoll als "shithole" beschrieben wird.
Nun ja, 2 Stunden später fährt der Bus pünktlich mit 3 Personen, inkl. mir, nach San Pedro ab. Beim Aussteigen frage ich den Busfahrer noch nach der Straße, wo mein Hostel liegt. Er zuckt die Schultern. Es sei bemerkt, dass es sich wirklich um ein sehr kleines Dorf mit wenig Straßen handelt und der Busfahrer vermutlich mind. 2 mal täglich hier ist...
Mein Rucksack hat dann doch noch
nachts um 12 den Weg zu mir gefunden
Gut, Abenteuer Wüste. Ich durchforste das Dorf dann eben selbst, ich hatte ja heute schon viel Wartezeit zum Ausruhen. Das ganze Dorf ist im Adobe Stil gebaut. Zu den Straßen hin, die nur aus Sand bestehen, ist alles verriegelt, um sich vor dem Staub zu schützen. Schnell finde ich mein Hostel und werde von einer netten Slowakin begüßt, die vor 40 Jahren einen Chilenen heiratete.
"Hier dürfen wir nicht waschen, bitte nur 2 Minuten pro Tag duschen." Das Wasser wird auf dem Dach von der Sonne in großen Eimern erhitzt - Fazit: es gibt kein kaltes Wasser!
"und hier ist die Sicherheitszone, falls es ein Erdbeben gibt!"

4 Tage später war es dann auch so weit. Ein Erdeben der Stärke 6,7 hat es um 17.15 Uhr ordentlich schütteln lassen. Ich saß gerad auf einem Plastikstuhl und dachte im ersten Moment "Shit, die Beine schmelzen!" weil der Stuhl so schaukelte. Ich guck die Beine an, alle stabil. Mir ist schon ganz schwindelig "oh nein, mein Kreislauf versagt schon wieder, ich muss was trinken". Dann kommt das Hausmädchen und sagt "wenn das Erdbeben noch anhält, müssen wir in die Sicherheitszone gehen!" Hella, dies ist ein Erdbeben! ...in der Wüste ist die Wahrnehmung irgendwie etwas gestört...
 
Im Übrigen erfuhr ich hier, das diese Wüste wohl doch nicht die trockenste der Welt sei – die Antarktis sei trockener. Es ist trotzdem verdammt trocken hier!
 
Floaten im Salzsee
Eine Tour haben wir zu den Ojos del Salar (Augen des Salzes) gemacht. Natürliche Salzseen, die salziger sind als das Tote Meer! So LEGT man sich aufs Wasser. Oder „you float“! Abtauchen ist in der Tat quasi unmöglich und das floaten wirklich witzig. So wird man immer nach oben gedrückt und hinterher hat man eine fette Salzkruste auf der Haut, in den Haaren, in den Ohren… naja, überall!
Das „floaten“ in dem See sei sehr heilsam und gesund. Es würde bei regelmäßigem Besuch sämtlich Hautkrankheiten und psychische Krankheiten, wie Depressionen, heilen. Neben dem Salz ist dort auch Lithium vorhanden, mit welchem man sich einreiben soll. Ebenso sehr heilsam! Gesagt – getan.
Laguna Cejar & Ojos del Salar

Zum Sonnenuntergang gibt es Pisco Sour direkt auf der Laguna Cejar, einem großen Salzsee. Diese sieht aus wie eine riesige Schneefläche mitten in der Wüste. Es ist aber einfach alles Salz!

Die Laguna Cejar
Die Lagunas Miscanti & Miñiques liegen auf ca. 4.200 m. Da geht einem bei einem langsamen Spaziergang schon ziemlich schnell die Luft aus.... Ich habe mich hier in die süßen Vicuñas verliebt. Das sind quasi "Wildlamas". Sie leben in kleinen Gruppen bis zu 7 Vicuñas und im Januar sind in jeder Gruppe 1 bis 3 Baby-Vicuñas dabei.
1 Baby Vicuña 
Lagunas Miscanti & Miñiques


Auf 4.200 m liegen die Miscanti & Miñiques Seen, durch einen Vulkanausbruch wurden sie getrennt
Der bekannteste Teil der Atacama Wüste ist wohl die Salar de Atacama (Salzwüste der Atacama). Die drittgrößte Salzwüste der Welt! Kilometerweit fährt man durch schroffe Salzverkrustungen, wo man wirklich kein Leben mehr erwartet, um mitten in der Salzwüste an den Chaxa See zu gelangen, wo Flamingos leben! Zahlreich in 3 verschiedenen Sorten, als wäre es der fruchtbartste Flecken Erde!
Hier lebt der Anden Flamingo, der Chilenischen Flamingo und der James Flamingo.
Laguna Chaxa

Was man sich am ehesten unter einer Wüste vorstellt, findet man in der Valle de la Luna und Valle de la Muerte. Sandige Flächen mit Steinskulpturen, alles von der Natur geformt! Manchmal kaum zu glauben:

Im Valle de la Luna
Die Valle de la Luna ist das Tal des Mondes. Das Tal hat die Form eines Halbmondes.
Valle de la Muerte bedeutet Tal des Todes. Hier gibt es einfach kein Leben mehr, könnte man vermuten.... aber wie so oft, ist die Benennung ein Missverständnis. Das Tal wurde im März (span. Marte) entdeckt und somit Valle de la Marte getauft, Tal des Märzes. Da März und Tod im Spanischen sehr ähnlich klingen, ein Franzose nicht richtig Spanisch verstand, hieß das Tal fortan Valle de la Muerte... Hier wachsen übrigens einige Sträucher, aus denen man Tee macht, die mal wieder äußerst gesund sein!
Valle de la Luna & Valle de la Muerte
 
Ein Vizcacha
Der strapaziöseste Trip ging zu den Tatio Geysiren. Um 4 Uhr morgens im Dunkeln 2 Stunden über Schotterpisten brettern, um das Geysirfeld auf 4.300 m zu erreichen! Vor Sonnenaufgang sind auf über 4.000 m um die -10°C (in Worten: Minus Zehn!), eine Temperatur, der mein Körper lange nicht ausgesezt war. Ich ziehe alle Kleidungsstücke an, die ich in meinem Rucksack finden kann, Wollsocken an die Hände. Zwischen den spuckenden Geysiren ist es manchmal angenehm warm, dass man verlockt wird, seine Hände in das 90°C heiße Wasser zu stecken... Erfahrungsgemäß macht meinem Körper auch die Höhe ab und an zu schaffen. Ich hatte "glücklicherweise" aber nur 2 Mal kurz einen Anflug von Höhenkrankheit und habe es schnell in den Griff bekommen. Hier habe ich das Tier Vizcacha kennengelernet, eine Mischung aus Kaninchen und Maus vielleicht?! Außerdem habe ich mein neues Lieblingstier, das Lama, gefunden.
Zum Aufwärmen muss man sich einmal kurz überwinden, alle Schichten auszuziehen und dann geht es in natürlich heiße Quellen... herrlich.

Ja, die Worte Wüste und Paradies passen zusammen! 


Vorn, der Schlumpf mit der Mütze, das bin ich! Denn am Kopf ist es trotzdem ziemlich kalt
 
El Tatio Geysir

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